Anfrage der Botschaft aus Äthiopien
Wir sind nicht wenig überrascht, als uns die Anfrage der Deutschen Botschaft aus Addis Abeba, Äthiopien erreicht. Für 2 Konzerte sollen wir in die auf 2355 Meter Höhe gelegene Hauptstadt des Landes kommen.
Mit Sitz der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen, Organisation der afrikanischen Einheit und seinen über 90 Konsulaten, wird Addis Abeba seit den 50er Jahren als inoffizielle Hauptstadt Afrikas gesehen. Vor 3,5 Millionen Jahren als erstes Land der Welt besiedelt, wird es seit dem Fund des Ur-Skeletts Lucy 1974 als „Wiege der Menschheit“ bezeichnet und fiel als einzige Nation Afrikas nicht dem europäischen Kolonialismus zum Opfer.
Zwischen einem Botschafts-Konzert in Abu Dhabi, VAE und einem Kreuzfahrt-Engagement auf MeinSchiff 5 beginnend in Dubai, haben wir ein Zeitfenster von genau 5 Tagen für Äthiopien zur Verfügung. Wir sagen zu.
Kurz vor Abreise
Größer könnte der Kontrast dann auch nicht sein. Eben noch ein Konzert am Strand des 5-Sterne Hilton Hotels in Abu Dhabi. Tags darauf bereits der Flug nach Addis Abeba, Äthiopien. Auf der einen Seite ein Land mit einem Pro-Kopf Einkommen von 67.700 USD pro Jahr (Stand: 2016). Auf der anderen Seite ein Entwicklungsland in Afrika mit einem Pro-Kopf Einkommen von 706 USD pro Jahr (Stand: 2016).
Ankunft in Addis Abeba
Nach flugbedingt verspäteter Ankunft in der 3,5 Mio Einwohner Stadt fahren wir direkt zum Hotel um am nächsten Tag ausgeruht unseren Botschafts-Termin wahrnehmen zu können. Dort angekommen stellen wir fest, dass der Kulturbeauftragte, Verantwortlich für die Durchführung der Konzerte, ebenfalls Allgäuer ist. Netterweise stellt er uns für den Nachmittag einen Fahrer zur Verfügung um uns auf den Hausberg Entoto zu bringen. Vom 3000 Meter hohen Plateau aus genießt man einen erhabenen Panoramablick über die gesamte Stadt.

Blick vom Entoto Addis Abeba
Zugleich ist genau an diesem Tag ein heiliges Fest für die Äthiopisch Orthodoxe Bevölkerung und zahlreiche Menschen pilgern zur Marienkirche (Entoto Maryam, erbaut 1885). Ein faszinierendes Schauspiel.

Auf dem Berg Entoto in Addis Abeba, Äthiopien
Das erste Konzert
An unserem dritten Tag hier in Addis Abeba haben wir unser erstes Konzert. Ein Kinderkonzert für die 1.-4. Klasse der Deutschen Botschaftsschule auf einem altehrwürdigen Flügel, der zwar seine besten Zeiten schon hinter sich hat, sich aber noch gut spielen läßt. Alle der 80 anwesenden Schüler sind deutschsprachig und mächtig gespannt, was sie erwartet. Bereits bei unserem ersten Stück, Fluch der Karibik, blicken wir in offene Münder. Den Kindern und uns bereitet es sehr viel Spaß und wir genießen die 45 Minuten mit den sichtlich faszinierten Schülern und beantworten auch noch zahlreiche Fragen im Anschluss des Konzertes.
Äthiopische Kultur
Der Abend steht ganz im Sinne äthiopischer Kultur. Wir werden in ein typisch äthiopisches Restaurant geführt. Gegessen wird ohne Besteck, und nur mit der rechten Hand. Zur Hilfe nimmt man dabei eine Art Sauerteig-Fladen, der aussieht wie eine Serviette. Ehrlich gesagt, schmeckt er auch sehr ähnlich.

Typisches äthiopisches Gericht: Injera und Wot
Gefolgt wird das Ganze von einer Folklore Show im angesagten Fendika. Eine fantastische Band, verschiedene Gesangskünstler, rituelle Tänze ziehen sich durch den Abend. Dazu wird der traditionelle Honigwein Tej serviert.

Musikgruppe Fendika in Addis Abeba, Äthiopien
Gegen Mitternacht brechen wir schließlich auf und beschließen die 1,5 Kilometer zum Hotel zu laufen. Da wird uns die dort herrschende Armut schlagartig vor Augen geführt. Entlang der Hauptverkehrsader liegen alle paar Meter ganze Familien aneinandergereiht und schlafend auf dem Boden. Mit dem Hintergrund rechtzeitig zur morgendlichen Rush Hour bettelnd auf der Straße zu stehen. Demut beschleicht uns aufgrund unserer Herkunft und dem damit verbundenen Lebensstandard.
Das zweite Konzert
Der vierte Tag ist zugleich Haupt-Konzerttag. Wir werden schon früh zur Yared School of Music gefahren um uns mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut zu machen. Zu unserer Überraschung erwartet uns im Konzertsaal von Addis Abeba ein Blüthner Flügel aus der Partnerstadt Leipzig. Wir schicken sofort ein Bild an unseren Freund und teilweise Wegbegleiter Christian Blüthner, Besitzer der Julius Blüthner Pianofabrik in Leipzig.

Blüthner Flügel in Addis Abeba, Äthiopien
Die technischen Rahmenbedingungen im Konzertsaal sind kaum in Worte zu fassen. Jeder deutsche Elektriker würde hier beide Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Aus Angst vor einem nicht unüblichen Stromausfall wird noch ein Generator organisiert, der beim Testlauf hinter der Bühne lautstark den kompletten Saal einräuchert. Aus Angst vor einem Erstickungstod beschließen wir im Ernstfall lieber nicht auf diesen zurück zu greifen. Glücklicherweise läuft aber alles glatt und wir stehen wieder einmal vor einem begeisterten Publikum, dass das Konzert am Schluss mit Standing Ovations quittiert.
Mission voll und ganz erfüllt. Zum Dank verrät uns der Kulturbeauftragte der Botschaft noch einen Ausflugs-Geheimtipp und stellt uns seinen Fahrer mit Auto am fünften und letzten Tag dafür zur Verfügung.
Koremash
65 Kilometer außerhalb von Addis Abeba befindet sich in der Region Amhara ein kleines Städtchen namens Koremash. Die letzten 12 Kilometer sind nur noch mit einem Allrad-Geländewagen zu befahren. Eine Windhose kreuzt unseren Weg und wir lassen die Kamera mitlaufen.
Angekommen in Koremash geht es zu einem alten Munitionsdepot, dass zur Verteidigung der Italiener um 1900 genutzt wurde. Dort angekommen offenbaren sich spektakuläre Aussichten auf die Afar Tiefebene und das Awash Flusstal. Wir sind zutiefst beeindruckt und genießen erst einmal die herrliche Landschaft. Da nur wenige Touristen sich hierher verirren, sind wir bald das Highlight für die Kinder aus dem Dorf und werden bestaunt und umringt.

Koremash Äthiopien
Die Verwalterin des Geländes bereitet uns währenddessen frischen Kaffee nach althergebrachter Methode zu. Wir sind uns einig: Das ist der beste Kaffee bei bestem Ambiente den wir je hatten!
Nachdem wir noch all unsere Süßigkeiten an die Kinder verschenkt haben, treten wir wieder den Rückweg von der leisen, friedlichen und ländlichen Umgebung zur lebhaften Hauptstadt an.

Verteilen der Süßigkeiten in Koremash, Äthiopien
Rückblick
Für uns endet hiermit eine Konzertreise, die noch lange in unseren Köpfen nachhallen wird. Während des gesamten Aufenthaltes war uns die dort herrschende Armut stets präsent und zeigte sich in Form von bettelnden Menschen, zerfallenen Häusern, mangelnde sanitäre Einrichtungen, verunreinigtes Trinkwasser, kursierende Krankheiten, Obdachlosigkeit, etc. Trotz, oder vielleicht gerade wegen dieser Umstände, wurde uns die ganze Zeit über sehr viel Herzlichkeit und Wärme entgegengebracht. Als Musiker hatte man das Gefühl einem glücklichen Publikum gegenüber zu stehen, dass dankbar die Musik aufnimmt, sich mitnehmen und verzaubern lässt. Eine Gabe, die in den Industrienationen leider mehr und mehr verloren geht. Danke Addis Abeba für die bleibenden Eindrücke!