Apulien in Künstlerhand

Vom 21. bis 29. Juli 2007 findet in Apulien das Open-Air-Festival „La Ghironda“ statt. Bei dieser 11. Auflage sind über 100 der unterschiedlichsten Künstler aus fünf Kontinenten vertreten. Wir zwei Pianisten sind allerdings die einzigen Deutschen …

Um 4:00 Uhr früh klingelt der Wecker. In drei Stunden geht die Maschine vom bewölkten München nach Bari in Süditalien. Mit gut anderthalb Stunden Flugzeit haben wir damit die wohl kürzeste Anreise aller Künstler. Am Flughafen holt uns mehr oder weniger pünktlich unsere „accompaniatrice“ Carlotta ab. Die adrette Studentin wird die nächsten Tage unser Mädchen für alles sein. Im schicken Minibus, der bereits im „La Ghironda“-Design mit den Tourdaten beklebt ist, geht es ins Hotel nach Monopoli. Ja, diese Stadt heißt wirklich so wie das Brettspiel! Sie hat aber rein gar nichts damit zu tun, wie uns Carlotta versichert.

Monopoli bildet für alle ausgewählten Künstler einerseits den Ausgangspunkt für sechs sternförmige Fahrten. Zugleich aber ist es auch der Ort für das dreitägige Finale Grande eines der größten Straßen-Festivals weltweit: „La Ghironda“. Es ist benannt nach einer mittelalterlichen Drehleier. Über 100 Künstler aus fünf Kontinenten werden auf bis zu 13 Bühnen gleichzeitig das kulturelle Leben von Einheimischen und Touristen bereichern. Die Bandbreite reicht vom argentinischen Puppenspiel, über japanische Jonglage bis zu kenianischer Akrobatik. Wir haben die Ehre als deutsches Showpiano-Duo einer der „Top-Acts“ zu sein. Die Einladung nach Italien haben wir also gerne angenommen.

Apulien-Tourbus

Apulien-Tourbus

 

Tag Nummer 1 von 9

Nach mehrstündiger Fahrt, die uns durch den Gesang der mitreisenden zwanzigköpfigen Mariachi-Band aus Mexiko verkürzt wird, hält der eigens angeheuerte Tourbus in Ceglie Messapica, dem ersten Auftrittsort. Dort nehmen wir zunächst unsere Bühne, den gestimmten Konzertflügel und anschließend die Altstadt genauer unter die Lupe. Zweimal an diesem Abend begeistern wir das Publikum mit einer halbstündigen Piano-Show. Carlotta hilft uns bei der Übersetzung der wichtigsten Ansagen. Gegen halb zwei Uhr nachts haben auch die letzten Künstler ihre Show beendet. Alle „La Ghironda“-Beteiligten versammeln sich auf dem Hauptplatz zu einem gemeinsamen Freiluft-Abendessen mit leckeren Antipasti, Pizza und viel Vino rosso. Dieses dauert seine Weile. Nach der Heimfahrt wird es über dem Meer bereits wieder hell. Todmüde lassen wir uns endlich in unsere Betten fallen. Seit über 24 Stunden sind wir nun schon auf den Beinen.

Die Tour geht weiter

Wecken lassen wir uns erst zum Mittagessen, das gleich mit einem Nickerchen beschlossen wird. Wir müssen wieder fit sein, wenn nachmittags erneut der Tourbus startet. In den nächsten drei Tagen spielen wir abends in Trani, Foggia und Otranto, dem östlichsten Ort Italiens. An klaren Tagen kann man von dort Albanien (eigener Tour-Blog) am Horizont mit bloßem Auge erkennen. Unsere jeweilige Bühne ist immer an ausgesuchten Plätzen der Altstadt aufgebaut, wie der Kathedrale oder dem Hafen. Zu so einer tollen Atmosphäre spielt man als Pianist natürlich besonders gern. Und unsere vierhändige Piano-Show kommt an. Von Bravo-Rufen lassen wir uns zu so mancher Extra-Zugabe anspornen.

Apulien-Auftritt

Apulien-Auftritt

 

An den beiden Folgetagen geht es nach Taranto, einer der kriminellsten Städte Italiens überhaupt. Wir werden extra nochmal eindringlich gewarnt. Und tatsächlich: bereits am ersten Tag wird bei einem Musikerkollegen ein Mischpult geklaut. Wohl ein Gelegenheitsganove. Denn mit solchem Kleinkram gibt sich die Mafia normalerweise nicht ab. Am zweiten Tag werden wir dann Zeuge der Besetzung des Rathauses. Dessen Eingang bildet aber gleichzeitig auch eine „La Ghironda“-Bühne. Man stelle sich also vor: auf dem Rathausbalkon die Hausbesetzer und ihre Transparente, darunter eine brasilianische Band auf der Bühne, direkt davor wiederum zahlreiche Carabinieri samt ihren Einsatzwagen. Und weiter hinten das belustigte Publikum. Eine kurios anmutende Szene. Laut Carlotta richtete sich der Protest übrigens gegen Lohnkürzungen von 4 Euro auf 1 €/h. Hartz IV lässt grüßen.

Finale Grande

Über die letzten drei Final-Tage in Monopoli sind wir recht froh. Und das nicht nur, weil die langen Busfahrten wegfallen. Das italienische Fernsehen ist da, um uns zu interviewen und unsere Show auf der Hauptbühne im Hafen aufzuzeichnen. Es ist die 18. in neun Tagen. Dabei kommt es zu einem sentimentalen Abschied an der Kathedrale. Für unsere letzte Zugabe schalten wir alle Verstärker aus. Das Publikum bitten wir so nah als möglich an und sogar auch auf die Bühne. Mit Carlotta in der Mitte spielen wir vierhändig eine ans Herz gehende Unplugged-Zugabe für all die lieben Menschen in Apulien. Sie hatten uns eine wundervolle Woche voller faszinierender Eindrücke und toller Erlebnisse beschert.

Apulien-Tourhotel

Apulien-Tourhotel

 

Unser „Monopoli-Spiel“ ist vorbei. Jetzt gilt es nur noch über Los zu ziehen. Auf südländische Art feiern Künstler und Staff gemeinsam die ganze Nacht am Hotelpool. Zum Sonnenaufgang gehen standesgemäß alle darin baden. Klitschnass nehmen wir zum ersten Mal überhaupt das italienische Frühstücksbuffett in Anspruch. Anschließend geht´s dann müde, aber glücklich ins Bett. Für uns waren es so erfolgreiche wie interessante neun Tage hier in Apulien – am Stiefelabsatz Italiens. Schweren Herzens sagen wir schließlich „Ciao Italia“.